Die Spinne in der Yucca-Palme
Bis 2030 fällt jeder zweite Arbeitsplatz weg, behauptet eine „große Oxford-Studie.“ Die Hälfte (!) aller Arbeitsplätze soll ist in 12 Jahren nicht mehr da sein? Diese Nachricht schwirrt durch die Medien und wurde mindestens 800-mal zitiert. Wo aber kommt eine solch steile These her?
Ein schwedischer Ökonom und ein Informatiker stellten sich 2013 eine Liste von 702 Berufen zusammen, für die in den USA ausführliche Tätigkeitsbeschreibungen öffentlich zugänglich waren. Dann baten sie 10 Robotik- und Computerforscher zum Tee und diskutierten via „eyeballing“ (meint auf Deutsch Pi mal Daumen) darüber, welche Berufe automatisierbar sein könnte und welche nicht.
Lediglich bei 70 Berufen waren sie überzeugt, dass ihre Einschätzung zutrifft. Dann bezifferten sie noch wie viel Kreativität, soziale Kompetenz, Fingerfertigkeit und Routinetätigkeit diese 70 Jobs benötigten. Anschließend mischten sie etwas Mathematik dazu und verallgemeinerten ihre Erkenntnisse auf alle 702 Berufe. Telefonmarketingmitarbeiter und Rechercheure belegen Platz 702 und 703 der Berufe. Also in 12 Jahren ausgestorben. Als Physiotherapeut (Platz 1) und als Einsatzleiter in Katastrophenfällen und Sozialarbeiter ist man auf der sicheren Seite.
Der Schwede Benedikt Frey ist nun durch die Studie berühmt und die Medien und „Experten“ überbietet sich in weiteren Schätzungen dazu.
Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat eine Gegenstudie veröffentlicht, in der sie von 9% automatisierbaren Berufen ausgeht. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Wir werden es irgendwann erfahren. Fakt ist, dass der berühmte Satz „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden“ wahr ist. Aber wir können es gemeinsam gestalten, uns qualifizieren und Teil des Prozesses werden. Das ist allerdings mühsamer, als nur auf die „große Studie aus Oxford“ zu schauen und sich den vermeintlichen Erkenntnissen zu ergeben.
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